Oekodok
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Abstract
Genussvolle Halbpflicht-Lektüre für ÖkonomInnen
Die Herleitung der Produktivität gilt bei WirtschaftswissenschafterInnen als musealer Kram – zu Unrecht, wie dieses Buch zeigt: Erst unsere gegenwärtige Produktivitätsmessung musste zum (Fehl)Schluss führen, dass Umweltschutz die Produktivität belaste.<br/>Viel in diesem Buch – eine leicht veränderte Dissertation – ist WirtschaftswissenschafterInnen natürlich bekannt. Im Sinne eines «brush up your theory» ist es eine gleichwohl lesenswerte historische Herleitung des Begriffes «Produktivität». Während Smith und Marx die Natur (wenn auch bloss am Rand ihrer Systeme) noch berücksichtigten, kippten spätere Theoretiker die Natur aus ihren Rechnungen. Das rächt sich, denn heutige Messsysteme vermögen die Umweltfunktionen nicht mehr zu erfassen. Das geläufigste Beispiel: Die Fokussierung auf Arbeit und Kapital.<br/>Diese mangelhafte Erfassung der wirtschaftlichen Realität belastet Umwelt und Beschäftigung, wie der Verfasser in der ersten Hälfte des Buches auf lesenswerte Weise nachzeichnet. Kern der Aussage: «Die Leistungen des Naturhaushalts und produziertes Sachkapital haben menschliche Arbeit ersetzt.» Über Jahrzehnte hinweg habe diese Entwicklung den gesellschaftlichen Wohlstand beschert, «weil unangenehme Arbeiten zunehmend seltener verrichtet werden mussten und weil sich die Lebensqualität über steigende Einkommen und sinkende Arbeitszeiten erhöht hat». Diese Zeiten aber sind vorbei: «Der Naturhaushalt wird übernutzt, und menschliche Arbeitsfähigkeit liegt brach.» Bisher also, ausser der Herleitung, an sich wenig Neues.<br/> Aber konsequenterweise leitet Bleischwitz im zweiten Buchteil Grundlagen für ein neues Produktivitätsverständnis her und skizziert modellhaft eine «öko-soziale Reform-Ära», bei der er unter anderem eine neue industrielle Wertschöpfung postuliert. Dass dabei auch eher Bekanntes wie «Nutzen statt Besitzen» erscheint (war bereits den alten Griechen bekannt), ist naheliegend.<br/>Um die Naturnutzung in erträglichem Rahmen zu halten und die Arbeitsproduktivität nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen krampfhaft zu steigern, schlägt der Verfasser einen Anstieg der Ressourcenproduktivität vor – also eine stetig verlaufende ökologische Steuerreform: «Dieser Effekt wird um so ausgeprägter sein, je stärker die investierenden Unternehmen von der dauerhaften Sicherheit des Kurswechsels überzeugt sind», lautet das Fazit von Bleischwitz. Inwieweit die Ziele eines «sozial und ökologisch gebundenen Kapitalstocks» realistisch sein können im «neuen» Deutschland, wird sich indessen weisen müssen. So oder so aber bleibt dieses Buch für WirtschaftswissenschafterInnen und für stark Politikinteressierte eine anregende, empfehlenswerte Lektüre.
Stichworte: Zukunftsfähiges Deutschland, Sozialstaat, Arbeitslosigkeit, Arbeitsplätze, technologischer Fortschritt, SPD, Theorie, Praxis, Modelle, Grafiken, Beschäftigungstheorien, Karl Marx, Adam Smith, Faktor Vier, Faktor Zehn, Preis, Wert, Friedrich List, Wachstumstheorien, Wirtschaftswunder, externe Kosten, externalisierte Kosten, Physiokraten, Physiokratie, wirtschaftswissenschaftliche Modelle
Schlagwort: Bücher und neue Medien > «Buch des Monats»
Medium: Ökomedia
Publikationsdatum: 01.10.1998
Autor: tsc.
Eigenschaften: Buch;
Buchangaben: Ressourcenproduktivität. Innovationen für Umwelt und Beschäftigung. Mit einem Geleitwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker; Springer-Verlag, Berlin, 1998.
Buchautor: Bleischwitz, Raumund
Seiten, Preis: 299 S. / sFr. 89.50
Abstract-Nr: 100452
Abstract-ID: 00511300019