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Abstract


Am Anfang war «Faktor vier», das Natur-Kapital geht drei Schritte weiter

Während das bereits zum Standard avancierte Werk «Faktor 4» von Ernst U. von Weizsäcker und Amory und Hunter Lovins das Potenzial einer erhöhten Ressourcenproduktivität in den Vordergrund stellte, spannt der Nachfolge-Band «Öko-Kapitalismus» (mit Paul Hawken anstelle von Weizsäcker als Co-Verfasser) den Bogen weiter: Er skizziert das mögliche Regelwerk einer nachhaltigen Wirtschaft. Der Zug stehe «abfahrbereit im Bahnhof», schreiben die VerfasserInnen, und: «Unternehmen, die die Botschaft des Öko-Kapitalismus ignorieren, tun das auf eigene Gefahr.» Das Buch hat das Zeug zum Bestseller<br/>Die Kernfrage lautet: Wie kann die Wirtschaft das natürliche Kapital der Erde wieder herstellen, erhalten und vermehren? Am Anfang des Werkes steht eine Warnung: Ökoeffizienz allein werde – bei falscher Handhabung – statt zum Retter zum Totengräber der Nachhaltigen Entwicklung. Denn auch falsche Produkte, die am falschen Ort in falschen Mengen und mit falschen Materialien im falschen wirtschaftlichen Rahmen hergestellt und vermarktet werden, können ökoeffizient sein<br/>Neben einer um Grössenordnungen höheren Ressourcenproduktivität müssen daher drei weitere Prinzipien zur Anwendung kommen, um die Lebensgrundlagen der Erde zu retten: 1. Biomimikry: Industriesysteme müssen nach biologischen Kreislauf-Kriterien funktionieren – bis hin zur vollständigen Beseitigung aller Abfälle. 2. Die Service-und-Flow-Wirtschaft: Es werden keine Waren mehr verkauft, sondern nur noch Dienstleistungen. Alle Gegenstände sind geleast und verbleiben in der Verantwortung und im Eigentum des Herstellers, der diese auch wartet und wenn nötig ersetzt. Dieses System erlaubt eine effizientere In-Wert-Setzung der Dienste des Ökosystems (Prinzip der Kostenwahrheit). Ressourcenproduktivität und geschlossene Materialkreisläufe würden dadurch «automatisch rentabel»<br/>3. Investitionen in natürliches Kapital: Die Verfasser betrachten die Natur als «Lieferant» von Waren und Diensten für die Wirtschaft, der mit der Lieferung bald nicht mehr nachkommt, was die Produktion natürlich einschränkt. Diese Übernutzung hat Kriege, Klimakatastrophen und Hungersnöte zur Folge. Investitionen in das Naturkapital der Erde betrachtet das Buch als Aufgabe aller Völker, denn «Gesellschaften brauchen gemeinsame Ziele». Daraus liesse sich ableiten, dass wir geradezu dankbar sein müssen dafür, dass es unserer Umwelt so schlecht geht – das gibt uns den nötigen Zusammenhalt. Aber so ist das nicht gemeint: «Öko-Kapitalismus» versucht vielmehr die Gräben zwischen Links und Rechts, zwischen Ökologie und Ökonomie zu überbrücken, um die Voraussetzungen für die Umgestaltung der Politik in Richtung «Investition in das Naturkapital» zu schaffen. Dieses Konzept ist von einer humanistischen Grundhaltung getragen<br/>Die Ausführungen zu diesem vierten Faktor sind ohnehin – trotz ihrer Kürze – das Bemerkenswerteste am Buch: Erstmals spricht der erzliberale Öko-Vordenker Amory Lovins von der Notwendigkeit staatlicher Regulierung. Damit hat er sich gegenüber früheren Werken deutlich dem Europäischen Standpunkt (den zum Beispiel ein Ernst U. von Weizsäcker vertritt) angenähert. Das tönt im Originalton etwa so: «Im finanziellen Bereich wird man Zentralbanken, Kreditgeber, Investoren, Rentenkassen und Kontrollorgane verpflichten müssen, bei jedem Kapitaleinsatz den Verlust an natürlichen und gesellschaftlichem Kapital deutlich in Rechnung zu stellen.»$Obwohl der Öko-Kapitalismus zwangsläufig kommt, da er viel rentabler ist und sicherer funktioniert, ist ein gemeinsames Investieren ins Naturkapital, das in der Tat zwingend und dringend erscheint, nur über gute lokale und regionale Gesetzgebung sowie internationale Abkommen erreichbar. Da stellt sich die Frage der Gerechtigkeit: Wer bezahlt wieviel an diese Investitonen?$Die Lektüre von «Öko-Kapitalismus» ist somit sehr erfrischend und auch inspirierend. Das Buch zeigt eindringlich, dass «die besten Lösungen nicht auf Kompromissen baiseren oder einem Ausgleich zwischen den Zielen», sondern «auf einer integralen Gestaltung», die Anliegen von Wirtschaft, Umwelt und Sozialpolitik gleichzeitig verwirklicht. Die VerfasserInnen haben dafür ein schönes Wort geprägt: Es geht darum «ein Netz von Lösungen zu weben», und das grosse Vorbild dafür ist die Stadt Curitiba in Brasilien (dazu ausführliche Rezension in der «Zeit» vom 23.03.2000 von Christiane Grefe).

Stichworte: Zukunft, Technolgie, Forschung, Wissenschaft, Ökophilosophie, Philosophie, Wirtschaftswissenschaft
Schlagwort: Bücher und neue Medien > «Buch des Monats»

Medium:
Ökomedia
Publikationsdatum: 18.02.2000
Autor: DW.
Eigenschaften: Buch;

Buchangaben:
Öko-Kapitalismus. Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts. Wohlstand im Einklang mit der Natur, Verlag Riemann, München, 2000.
Buchautor: Hawken, Paul / Lovins, Amory / Lovins, Hunter:
Seiten, Preis: 580 S. / 48 Mark
ISBN: 3-570-50010-1

Abstract-Nr: 106347
Abstract-ID: 00511300037