Oekodok
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Abstract
Gambit: Ein Dokumentarfilm rollt die Chemiekatastrophe von Seveso auf
Unter einem Gambit versteht man beim Schachspiel eine Eröffnung, bei der ein Bauer für eine meist taktisch, manchmal auch strategisch bessere Stellung ganz bewusst geopfert wird. Ähnlich erging es Jörg Sambeth, der 1976 technischer Direktor der Givaudan war, einer Tochter des Schweizer Chemiekonzern Hoffmann La-Roche gehörte. Givaudan wiederum war zuständig für die kleine, norditalienische Chemiefabrik Icmesa, in der es zu einer Explosion kam. Der Unfall bei dem Dioxin freigesetzt wurde verätzte insbesondere Kindern die Haut, die Bevölkerung musste evakuiert werden, 77'000 Tiere verendeten. In Gesprächen mit Jörg Sambeth, zeichnet die Autorin Sabine Gisiger die Ereignisse jener Tage nach, die sich in der Fülle der Fakten zu einem veritablen Kriminalfall verdichten. Es sind zunächst einmal die Chronik eines vernachlässigten Sicherheitsdispositivs, das der Film eindrücklich darlegt, und das Journal einer Konzernleitung, die im Extremfall jegliche moralische Betroffenheit und jegliches Verantwortungsbewusstsein vermissen lässt. Getragen wird der Film zu einem guten Teil durch die faszinierende, eindrückliche Persönlichkeit Jörg Sambeths. Die Chemie in der Führungsetage der Hoffmann-La Roche jedenfalls stimmt von Anfang an nicht, was den jungen, ehrgeizigen Uni-Absolventen jedoch zunächst nicht stört. Sein Ziel ist es nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst der Nazi- Vergangenheit seiner Familie und seiner Kleinstadt zu entkommen, indem er sich mit der Kaderstelle in einem Schweizer Grosskonzern eine neue Existenz aufbaut. Dass er aber den einstigen «Führer» gegen eine Konzernführung eingetauscht hatte, die glaubte, Ereignisse mit militärischen Strategien kontrollieren zu können - Sambeth spielt im Film selbst mehrmals auf Ähnlichkeiten zwischen Roche-Chef Adolf W. Jann und dem «Führer» an -, fällt dem rechtschaffenen Chemiker erst viel zu spät auf. Da ist er schon von seinen Vorgesetzten (die er mehrfach auf die grassierenden Sicherheitsmängel in der Icmesa hingewiesen hatte) der Justiz ans Messer geliefert und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Stichworte: Es ist erschütternd zu sehen wie lange der Manager seiner Firma gegenüber allem Verrat zum Trotz loyal bleibt, schweigt - und auch nach seiner Verurteilung noch eine mit Degradierung verbundene Versetzung im eigenen Betrieb akzeptiert. Erst Jahre nach seinem Weggang vom Chemiemulti hat sich Sambeth an die systematische Aufarbeitung der Intrigen und Vertuschungsaktionen in den Direktionsetagen der Roche gemacht, die er im letzten Jahr erschienenen Tatsachenroman «Zwischenfall in Seveso» zusammengefasst hat. Während diese in knapper Prosa gehaltene wahre Geschichte eine persönliche Auseinandersetzung mit der Frage der Schuld geworden ist, rückt der Film erstmals die verheerenden Konsequenzen jener Machtspiele im Innern einer Konzernführung in den Blick. Es geht in «Gambit» auch gar nicht explizit um Abrechnung, sondern um Aufklärung und Erhellung, um die Soziologie eines Weltunternehmens, um Lüge und Verantwortung. Sambeths persönliches Schicksal, sein Leben ist verknüpft mit diesem Dioxindesaster, das bis heu
Schlagwort: Arbeit > Ökologie am Arbeitsplatz
Medium: oekomedia
Publikationsdatum: 11.08.2005
Autor: Freuler, Lisa
Eigenschaften: Bericht;
Abstract-Nr: 116830
Abstract-ID: 03212000162