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Abstract


Trends unserer Konsumgesellschaft – mit Tiefgang und Witz analysiert

Ein wunderbares Buch! «Markenkult» begeistert gleich aus mehreren Gründen: Erstens ist es eines der schönsten Bücher der Saison, zweitens ist es gut geschrieben, und drittens ist es eines der besten Umweltbücher, obwohl über Umweltschutz in diesem Buch gar nicht viel geschrieben steht. <br/> Matthias Horx ist einer der bekanntesten Trendforscher im deutschen Sprachraum. Viele seiner Bücher wurden Bestseller, zum Beispiel 1987 «Die wilden Achtziger. Eine Zeitgeist-Reise durch die Bundesrepublik» oder «Aufstand im Schlaraffenland. Selbsterkenntnisse einer aufständischen Generation» (1989). 1993 erschien «Trendbuch. Der erste grosse Deutsche Trendreport». Sein neuestes Buch «Markenkult» ist gewissermassen dessen Fortsetzung. Zusammen mit einer Handvoll Mitautorinnen und Mitautoren geht Horx in seinem 470-Seiten-Opus der Frage nach, wie in der heutigen Konsumgesellschaft Marken einen Kultstatus erlangen und welche Funktionen sie dabei erfüllen. Das geschieht nicht (nur) in der Theorie, sondern in Form von gut recherchierten und bestens illustrierten Fallgeschichten. Videospiele, Wegwerffeuerzeuge, Jeans, Parfum, Zigaretten und Kaffee sind einige der beschriebenen Beispiele. Daneben widmen sich einzelne kürzere Beiträge speziellen Themen im Dunstkreis des Markenkultes, etwa dem Anti-Branding (damit ist die Verballhornung von Markenwerbung gemeint). <br/> Am spannendsten sind die ersten hundert Seiten des Buches. In einer Einleitung (zusammen mit Peter Wippmann) und einem rund 70 Seiten umfassenden Aufsatz macht Horx so etwas wie eine Auslegeordnung. Er schreibt, dass Marken die «Kulte der modernen Zivilisation repräsentieren». Die Zeichensprache dieser neuen Zivilisationserscheinung ist global: «Auch wenn es spezielle nationale Bedeutungsvarianten geben mag, die grossen, die universellen Marken leben von ihrer planetaren Semantik.» Horx stellt die These auf, dass Marken zu einem Teil unseres kulturellen Erbes geworden sind und dadurch «die Zivilisation ein Stück weitergekommen» ist. Dass dieser letzte Satz «im moralischen Diskurs unserer Tage gewaltige Sprengkraft» besitzt, räumt Horx gleich selber ein. Als Beispiel für seine These führt er jedoch Kampagnen wie diejenige von Benetton an, die «effektiver als jedes Bundesministerium» das Thema Toleranz und Multikulturalität lanciert und im «kollektiven Bewusstsein verankert» hätten. Ein Trend, so Horx weiter, entstehe durch die «Vernetzung der Bedürfnisse»; niemand könne diese Verbindungen kontrollieren oder gar steuern. <br/> Aber was hat das alles mit Ökologie zu tun? Die Zeiten, in denen Umweltschutz aus Kompostierberatung und Dachbegrünung bestand, sind definitiv vorbei. Umweltpolitik ist Ressourcenpolitik ist Konsumpolitik. Das heisst: Wer weiss, wie der Markt funktioniert, wie Trends entstehen und von wem sie gemacht werden, der kann solche Entwicklungen zu seinem Vorteil nutzen. Horx ist für die Zukunft relativ optimistisch: Der momentane Prozess des Wertewandels führe dazu, dass das narzisstische Lebensprinzip (der Achtziger) abeglöst werden wird von kollektiven Sehnsüchten nach Verbindlichkeit, Aufgehobenheit, Kontinuität. Zusätzlich wird die «zunehmende Virtualisierung unserer Welt» zur verstärkten Suche nach Verwurzelung, Authentizität und Idyll führen. Diese Trends werden zwangsläufig auch für die Beziehungen zur Umwelt und zu den Entwicklungsländern Konsequenzen haben: «Die grossen Wachstumsphasen der westlichen Industrienationen sind ein für allemal vorüber, das neue Zentrum des Wachstums liegt im Pazifik. [...] Das neue Millenium wird die moralischen Fragen, die Überlebensfragen, die fundamentalen Sinnfragen, in den öffentlichen Diskurs befördern. <br/> Was Horx schreibt ist nicht neu. In jeder besseren soziologischen Arbeit lassen sich diese und ähnliche Befunde nachlesen, fundierter und präziser sogar. Aber wer liest schon soziologische Studien? Horx' Verdienst ist es, erstens die Ergebnisse der aktuellen Trendforschung in einer Sprache niedergeschrieben zu haben, die sich leicht liest, und zweitens die Theorien auch aktuell angewendet zu haben. Anhand der zahlreichen Fallbeispiele (die zum Teil sehr witzig geschrieben sind) können die Autorinnen und Autoren nämlich nicht nur die Thesen des Buches belegen, sondern es gelingt ihnen, einen direkten Bezug zum persönlichen Horizont jeder Leserin und jeden Lesers aufzubauen. <br/> Die Idee, «Markenkult» als eines der besten Umweltbücher der letzten Zeit zu bezeichnen, mag zwar erstaunen - doch die Mechanismen, die das Buch beschreibt, sind für unsere Umwelt wesentlich wichtiger als alle internationalen Klimakonferenzen zusammen.

Stichworte: Konsumgesellschaft, Konsumgüter, Marken, Markenkult, Jeans, Parfum, Zigaretten, Kaffee, Videospiele, Wegwerfprodukte, Schuhe, Generation X, Marktforschung, Kosmetik, digitale Marktplätze, Ethik, Brands, Branding, Adbusters
Schlagwort: Bücher und neue Medien > Rezensionen OekoDok

Medium:
Ökomedia
Publikationsdatum: 01.04.1995
Autor: ph.
Eigenschaften: Buch;

Buchangaben:
Markenkult. Wie Waren zu Ikonen werden, Econ, Düsseldorf, 1995.
Buchautor: Trendbüro / Horx, Matthias / Wippermann, Peter
Seiten, Preis: 472 S. / 98 DM
ISBN: ISBN 3-430-14805-7

Abstract-Nr: 45393
Abstract-ID: 00501050036