Oekodok
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Abstract
Deutschland auf dem Weg in die Zukunftsfähigkeit
Vielleicht werden sich in hundert Jahren einige Historikerinnen und Historiker fragen, was es war, das damals, am Ende des 20. Jahrhunderts, die berühmte Wende zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft ausgelöst haben könnte. Sie würden mit Sicherheit auf dieses vierhundertseitige öko-soziale Grundlagenwerk stossen. $ Ein solches Buch wurde im deutschen Sprachraum schon lange nicht mehr geschrieben. Ein Team am Wuppertal-Institut hat dieses Grundlagenwerk unserer Zeit verfasst: Das Buch entstand im Auftrag vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und von der kirchlichen Hilfsorganisation Misereor. Die Studie ist Teil des gesamteuropäischen Projektes «Sustainable Europe», das 1994 von Friends of the Earth lanciert wurde. Die nationalen Teilstudien werden im Laufe dieses Jahres zu einer Gesamtstudie zusammengeführt und zuletzt der UNO vorgelegt. Das Hauptziel der Aktion ist es, die Diskussion um Nachhaltigkeit, die seit Rio in aller Munde ist, von der bisherigen Beliebigkeit in die Konkretisierung zu führen. Dazu entwickelten Mitglieder der niederländischen Umweltorganisation «Milieudefensie» das Konzept des Umweltraumes. Die Berechnung von Belastungsgrenzen und Zielwerten dieses Umweltraumes basieren auf zwei Grundsätzen: dass erstens die Natur auch zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen muss und dass zweitens jederzeit alle Menschen das gleiche Anrecht auf Umwelt haben<br/>In einem ersten Block widmet sich die Studie ausführlich den Fragen von Belastungsgrenzen und Zielen. Wir erfahren, wie das Konzept «Umweltraum» funktioniert, welche Bedeutung Indikatoren zukommt und welche Ziele für Deutschland als zukunftsfähig zu gelten haben. Schon in diesem ersten Teil wird die Stärke und Einmaligkeit der Studie offensichtlich: Naturwissenschaftliche Fakten werden mit ethischen Argumenten, psychologischen Erklärungen und mit wirtschaftlichen Analysen verbunden - Multidisziplinarität at its best! Die Verfasserinnen und Verfasser haben hierzu eine schier unglaubliche Menge an Literatur und Quellen verarbeitet und belegen dementsprechend jede ihrer Aussagen (alleine das Literaturverzeichnis umfasst 23 eng bedruckte Seiten)<br/>In einem weiteren Kapitel bilanziert das Wuppertal-Institut den deutschen Umweltverbrauch. Auch hier verblüfft der breite Ansatz der Studie: Neben den nackten Zahlen finden wir zahlreiche Analysen der Nord-Süd-Implikationen der berechneten Werte. So wird auch mit aller Deutlichkeit mit dem Scheinargument aufgeräumt, es sei die angebliche Überbevölkerung des Südens, welche die ökologischen Probleme im Süden verursache. Umgekehrt, so das Institut weiter, sei es jedoch ebenso falsch, alle Schuld dem Norden in die Schuhe schieben zu wollen<br/>Kernstück der Studie sind insgesamt acht «Leitbilder», die qualitativen und nicht quantitativen Charakter besitzen. Sie zeigen, in welchen Bereichen und mit welchen Mitteln eine Wende zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft möglich ist. Ergänzt wird jedes Leitbild mit einigen kurz beschriebenen «Wende-Szenen» - konkreten Beispielen aus der bisherigen Praxis<br/>Ein grosses Kapitel des Buches trägt den Titel «Übergänge». Hier versuchen die Verfasserinnen und Verfasser, aus dem quantitativen Befund der Umweltraum-Berechnungen und aus den Leitbildern die Konsequenzen zu ziehen: Sie beschreiben auch, mit welchen Wechselwirkungen dabei zu rechnen ist. Im letzten Teil schliesslich («Zusammenhänge») geht es noch einmal um die grossen Fragen der ökologischen Wende: «Soziale Fairness», «Wirtschaftsverträglichkeit», «Politische Reform» und - last but not least - «Ausgleich zwischen Norden und Süden»<br/>«Und was jetzt?» mögen sich erschöpfte Leserinnen und Leser nach diesem 450-Seiten-Marathon fragen. Das Buch gibt viele Antworten, stellt aber noch mehr Fragen. Es legt Spuren, gibt Ideen und bietet Analysen. Es verleitet zum Nachdenken, gibt auch Anlass zu Ärger (einzelne Abschnitte, zum Beispiel Kapitel 3.2, sind etwas unsorgfältig ausgefallen), und es provoziert Widerspruch. Was will man mehr? Fazit: Das Buch ist absolute Pflichtlektüre für alle, die bei der Diskussion über die Zukunft unseres Planeten mitreden wollen. Einzelne kleine Versäumnisse beim Lektorat wie zum Beispiel unvollständige Literaturangaben mindern den Wert des Buches kaum.
Stichworte: Nachhaltigkeit; Zukunftsfähigkeit; sustainability; nachhaltige Entwicklung; BUND; Misereor; Wuppertal Institut; WIKUE; Friends of the Earth; Reinhard Loske; Raimund Bleischwitz; Wolfgang Sachs; Manfred Linz; Ralf Behrensmeier; Willy Bierter; Stefanie Böge; Stefan Bringezu; Bernhard Burdick; Manfred Fischedick; Friedrich Hinterberger; Wolfgang Jung; Kora Kristof; Helmut Schütz; Umweltraum; Gerechtigkeit; Umweltindikatoren; Umweltziele; Deutschland; Ressourcenintensität; Ressourcenentnahme; MIPS; Materialverbrauch; Energieverbrauch; Wasserverbrauch; Flächennutzung; Emissionen; Ozonschicht; Weltmeere; ökologischer Rucksack; Rohstoffimporte; Biodiversität; Dritte Welt; Süden; Nord-Süd; Entwicklungsländer; Entwicklungszusammenarbeit; Zeitökologie; Entschleunigung; Geschwindigkeit; Marktwirtschaft; Markteuphorie; Subventionen; Haftpflicht; AKW; Atomenergie; Nuklearenergie; Grossrisiken; Klimaschutz; lineare Produktionsprozesse; zyklische Produktionsprozesse; Stoffkreisläufe; Umweltmanagement; Wertewandel; Konsum;
Schlagwort: Bücher und neue Medien > Rezensionen OekoDok
Medium: Ökomedia
Publikationsdatum: 01.01.1996
Autor: ph.
Eigenschaften: Buch;
Buchangaben: Zukunftsfähiges Deutschland. Studie des Wuppertal Instituts für Klima Umwelt Energie GmbH, Birkhäuser, Basel, Boston, Berlin, 1996.
Buchautor: BUND / Misereor (Hrsg.)
Seiten, Preis: 453 S. / 34 Fr.
ISBN: 3-7643-5278-7
Abstract-Nr: 45469
Abstract-ID: 00501050112