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Abstract


Wenn einer «wagt, das Ganze zu denken»

Dann kommen Begriffe wie Alltagsflucht, Wegwerfkinder und Wegwerfgüter alle gleichzeitig vor. «Entschleunigung» ist die Losung von Fritz Reheis. Seine «frappierend einfache Leitidee» basiert auf folgendem Ökologie-Verständnis: Ökologie gleich Haushalten gleich «Kunst des klugen Umgangs mit Zeit».<br/>Die Umsetzung einer Entschleunigung soll über die Verweigerung geschehen: Geht «den Antreibern aus dem Weg». Der «neue Wohlstand» entsteht durch die Wahrnehmung der «Eigenzeit»: Tut Dinge, für die wir keine Zeit haben, wie «spielen, faulenzen, süffeln, schmusen …». Die freigesetzte Energie schliesslich soll politisch für eine «solide materielle Versorgung» eingesetzt werden. In diesem Sinn stellt Reheis drei alternative Wirtschaftssysteme vor. Das hört sich alles spannend an, aber…<br/>Mein Lesegefühl: eine Achterbahn. Begeistert sauge ich süffige Gedanken in mich auf, um gleich darauf in Banalitäten abzusinken. Die Vermengung von philosophischem Unterbau und handfesten Zahlen ist ansprechend. Form und Inhalt ergänzen sich, greifen ineinander über, aber sie halten ihr Versprechen nicht.<br/>«Postmoderne Modephilosophen» erhalten bereits im Vorwort eine Abfuhr, obwohl der Text durch interessante Widersprüchlichkeiten eine postmoderne Leseart evoziert: Eine Vielzahl an Statistiken «belegt» Symptome von Zivilisationskrankheiten, zerfallenden Gesellschaften und versiegender Natur. Der Verfasser hat aber zuvor das zahlengläubige Vorgehen der empirischen Wissenschaften und deren Resultate als Konstrukte aus wirtschaftlichen Interessen in Frage gestellt. Weitere postmoderne Ansätze liegen in der Multiplizierung von Stimmen – Schlagzeilen aus Zeitungsartikeln und Epigramme durchbrechen den Gedankenfluss - und in der Verschmelzung von Eigenem und Fremdem – Informationen aus anderen Texten fliessen in den Monolog eines «Ich» ein.<br/>Die Modelle für eine «entschleunigte Kultur/Gesellschaft», die einen neuen Wohlstand erreichen soll, hören sich zu schlank, zu vereinfacht an. Denn das globale Individuum, das lernen muss, sich genügend Zeit für ein «gutes Leben» zu nehmen, existiert nicht.

Stichworte: Abfall, Anerkennung, Ängste, Anpassung, Arbeitslosigkeit, Bedürfnisse, Beschleunigung, Bevölkerungsentwicklung, Diskurs, Energie, Entwertung, Erfahrung, Evolution, Gerechtigkeit, Individuum, Information, Konkurrenz, Konsum, Körper, Krankheit, Kreativität, Kultur, Gesellschaft, Leistung, Lernen, Natur, Ökologie, Reproduktion, Risiko, Rückkoppelung, Steuern, Chemie, Überforderung, Wachstum, Arbeit, Zeitdruck, Zukunft
Schlagwort: Bücher und neue Medien > Rezensionen Bücher und graue Literatur Ökomedia

Medium:
Ökomedia
Publikationsdatum: 31.03.1996
Autor: cm.
Eigenschaften: Buch; Inserat;

Buchangaben:
Die Kreativität der Langsamkeit. Neuer Wohlstand durch Entschleunigung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WB-Forum; 106) Darmstadt, 1996.
Buchautor: Reheis, Fritz
Seiten, Preis: 220S./sFR 24.90/DM
ISBN: 3-534-80191-1

Abstract-Nr: 51718
Abstract-ID: 00511050132