Oekodok
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Abstract
Ovid, Goethe, Konfuzius, die Wirtschaft und die Umwelt
Hans Christoph Binswanger legt mit fünf Essays ein erstaunliches, lehrreiches und lustvoll zu lesendes Buch auch über die Gründe für Umweltzerstörung vor, in dem er unter anderem zeigt, dass die moderne Ökonomie eigentlich eine Glaubensfrage sei.<br/>Bevor Binswanger uns mit auf den Weg zur Glaubensgrundlage der Ökonomen nimmt, deutet er eine griechische Geschichte, die Ovid in die Metamorphosen aufgenommen hat: Der Königssohn Erysichthon will den heiligen Hain der Demeter um den höchsten Baum bringen, weshalb der Jüngling fürderhin unersättlich sein soll und sich am Ende denn auch selbst vertilgt. So weit, so einsichtig. Was aber Binswanger aus dieser Geschichte (respektive drei Dichtungen dieser Geschichte) macht, ist mehr denn respektheischend: eine luzid geschriebene kulturelle Betrachtung falscher Wirtschaftsweise, die (auch) zu Umweltproblemen führt.<br/>Kern des Buches aber ist nicht die Wirtschaft an sich (auch nicht die aus ihr resultierende Umweltbelastung), sondern die Geldwirtschaft, die wie keine andere zur Hortung beispielsweise von Positionsgütern Hand bietet – und damit dazu, mehr zu produzieren, als man eigentlich benötigt. Warum das in der Theorie als nicht schlimm gilt, hat seinen Grund bei Adam Smith, der übersah, «dass es in der Wirtschaft nicht in erster Linie auf Arbeit, sondern vor allem auf Nutzung der Natur und den diese Nutzung ermöglichenden Geist ankommt». Will heissen: Smith war, wie die Lehre der Stoa, zu optimistisch – wie es ÖkonomInnen noch heute sind: «Die unsichtbare Hand (...) ist nichts anderes als die ökonomische Formulierung dieses Optimismus.»<br/>Nach diesem Vermerk fährt Binswanger fort im löblichen Werk: Goethe (im Band, der ein etwas sorgfältigeres Lektorat mit grösserer Kommata-Sicherheit verdient hätte, auch als «Goehte» erscheinend) eignet sich offensichtlich für ökonomische Betrachtungen ebenso wie Konfuzius oder der Wochenendteil der NZZ, wie Binswanger sehr lesenswert zeigt.<br/>Wer etwas für seine Kultur – im Kunstsinn ebenso wie im ökonomischen, (umwelt)geschichtlichen und philosophischen – tun will, lese dieses hübsche, gebundene Buch, bis hoffentlich bald weitere Essays von Binswanger erscheinen.
Stichworte: Marktwirtschaft, Umweltbelastung, Kapital, Arbeit, Kommunismus, Quellen, Grenzen des Wachstums, exponentielles Wachstum, qualitatives Wachstum, Nachhaltigkeit, Wirtschaftswissenschaft, Mythen, Martin Buber, Baikalsee, Ethnologie
Schlagwort: Bücher und neue Medien > «Buch des Monats»
Medium: Ökomedia
Publikationsdatum: 11.05.1998
Autor: tsc.
Eigenschaften: Buch; Kommentar;
Buchangaben: Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen. Essays zur Kultur der Wirtschaft, Gerling-Akademie-Verlag, München, 1998.
Buchautor: Binswanger, Hans Christoph
Seiten, Preis: 132 S. / 32 sFr. / 32 DM
Abstract-Nr: 95988
Abstract-ID: 00511300014